Eines der größten bundesweiten Fahrsicherheitszentren des Allgemeinen Deutschen Automobil-Club e.V. liegt im hessischen Gründau. Es wurde 2004 vom Regionalclub ADAC Hessen-Thüringen eröffnet. Fahranfänger, Gelegenheits- oder Vielfahrer lernen dort, wie sie auch in kritischen Situationen die Kontrolle über ihren Pkw, Lkw oder ihr Motorrad behalten. Dazu gehören auch Schulungen verschiedenster Art.
Genau aus diesem Grund liegt auf dem ca. 90.000 m² Areal neben dem Trainingsgelände, das mit moderner computergesteuerter Simulationstechnik betrieben wird, ein multifunktionales ca.1.700 m² großes Event- und Konferenzzentrum. Gleich daran angeschlossen sind die Mitarbeiterbüros.
Abb. 1: Das moderne ADAC Veranstaltungs- und Trainingszentrum besitzt sogar einen Gebrauchsmusterschutz.
Der futuristisch anmutende Bau ist das gelungene Ergebnis eines Architekturwettbewerbs. Im Mittelpunkt steht der Eingangsbereich zu dem Gebäudekomplex. Dieses Foyer ist ca. 250 m² groß, befahrbar und bis auf das Dach komplett verglast. Die Veranstaltungen finden ganzjährig an fast allen Tagen der Woche statt.
Auslöser „Jahrhundertsommer“
Im langen und trockenen Sommer 2018, der als zweitwärmster seit Beginn der Wetteraufzeichnungen gilt, stieg das Thermometer in den Konferenzräumen und Büros wochenlang über die Behaglichkeitsgrenze. Im Glasfoyer zeigte es trotz Verschattung sogar weit über 35°C an. Der Grund dafür: Bei der Planung der Gebäudetechnik des Veranstaltungskomplexes war auf eine mechanische Kühlung verzichtet worden. Und weil auch die Nächte 2018 keine Abkühlung mehr verschafften, entwich die Wärme nicht mehr aus dem Gebäude. An konzentriertes Arbeiten oder Weiterbildung war nicht mehr zu denken. Hinzu kam, dass ohne Klimatisierung die Vermietung der Räumlichkeiten für Fremdveranstaltungen über einen längeren Zeitraum unmöglich war. Das führte zu Umsatzausfällen. Schließlich entschloss sich der Betreiber, in das Nachrüsten der Klimatechnik zu investieren.
Geschützte Kubatur
Für den eingeschalteten TGA-Planer wurde die Aufgabe zu einer echten Herausforderung. Denn das Gebäude hat eine Sonderbauform mit vielen Schrägen oder spitzen und stumpfen Winkeln. Für die Leitungsführung oder Platzierung von Innengeräten ist eine solche Ausgangslage nicht einfach. Außerdem liegt auf dem preisgekrönten Bauwerk ein Gebrauchsmusterschutz. „Die Konsequenz daraus bedeutete, dass wir sowohl an der Fassade als auch im Innenraum keine auffälligen architektonischen Änderungen vornehmen konnten.“
Mit dem Umbau und der Kältenachrüstung durften Stefan Albert und sein Team von der Albert Ingenieurgesellschaft Gebäudetechnik mbH, Mömbris, also den Charakter des Gebäudes und die Idee des Architekten nicht verändern. Hinzu kam, dass der Einbau im laufenden Betrieb erfolgen musste.
Das Objekt wird nach in sich abgeschlossenen Bauabschnitten realisiert.
- Foyer-Halle Zwischendeckengeräte mit Düsenrohrverteilung
- Schulungsräume Wand- und 4-Wege Kassetten
- Büroräume 4- Wege Kassetten
- Lüftung Nachrüstung Kühlregister
- Abb. 2: Bestehende Technik kombinierte man kurzerhand in einer komplexen Gebäudeumgebung mit neuen Geräten.
Jede Planung von Klimatechnik bedarf vorab einer detaillierten Kühllastberechnung. Erst danach sind Überlegungen für Systeme sinnvoll. Mit 43 kW wies das Foyer die mit Abstand höchste Spitzenkühllast aller zu klimatisierenden Räume auf. Alles in allem 105 kW. Das führt während der meisten Zeit einer Kühlperiode zur Überdimensionierung von Klimasystemen, ist aber häufig nicht vermeidbar. „Wir garantieren für unsere Planungsleistung. Und oft gibt es keine andere Wahl, als einen Raum für den maximalen Kältebedarf auszurüsten. Schließlich will niemand in einem unangenehmen Raumklima arbeiten. Das Glasfoyer bot allerdings eine besondere Möglichkeit, die wir nach Rücksprache mit dem Betreiber umsetzten und damit die errechnete Maximalkühllast auf 29 kW absenken konnten.“ Dafür wurden alle Scheiben mit einer nahezu unsichtbaren „Thinsulate Climate Control“ Spezialfolie des Herstellers 3M beklebt. Diese reduziert den Übertrag von Strahlungswärme in und ebenso aus dem Gebäude. Das senkte außer der Kühllast gleichzeitig auch den Wärmebedarf, was allerdings nicht die eigentliche Aufgabenstellung des Planers, vielmehr ein Mitnahmeeffekt war. „Mit dieser hochwertigen Folie vermeiden wir außerdem Blendeffekte der Sonne und verhindern eine gefährdende Ablenkung der Verkehrsteilnehmer auf der nahegelegenen Bundesstraße. Das in Summe war uns die hochwertige Folie wert“, ergänzt Mathias Stumpf.
Maßgeschneiderte Lüftungstechnik
An den Deckenbindern der drei Geschossebenen befindet sich heute ein abgestuftes Luftleitungsnetz aus pulverbeschichteten Wickelfalzrohren in Kombination mit Düsenrohren. Das erscheint dem Betrachter so harmonisch, als wäre es schon immer Teil des gleichfarbigen Stahlträgerskeletts gewesen. Die kalte Umluft strömt durch das Luftleitungssystem und fällt langsam durch die Düsenrohre in den Innenraum. So entstehen ein behagliches Raumklima und angenehme Temperaturen. Die Kühlung übernehmen zwei optisch unauffällig installierte Fujitsu-Zwischendeckengeräte mit jeweils 18 kW Kälteleistung. Den geforderten Frischluftanteil übernimmt das seit 2004 vorhandene RLT-Zentralgerät, das mit zwei Kühlregistern nachgerüstet wurde, so dass jetzt auch die Küche und ein Raum zur Fertigstellung von Mahlzeiten klimatisiert werden kann.
Abb. 3: Links erkennt der Profi die DX Steuerungseinheiten, rechts die RLT Anlage, die mit den Fujitsu Außeneinheiten kombiniert wurde.
Geregelt werden diese über eine vollautomatische Sequenzsteuerung, den Swegon-INV-DX-Sets. Damit kann der Wärmeübertrager eines beliebigen RLT-Geräts direkt an eine Außeneinheit von Fujitsu angeschlossen und gesteuert werden. In Kombination sorgen das alte und neue Lüftungssystem dafür, dass im Foyer und im Küchenbereich niemand mehr zu schwitzen braucht.
Ein ganzjährig behagliches Raumklima
Die Veranstaltungsräume und Büros wurden mit moderner Multisplit- und VRF-Technik von Fujitsu ausgestattet. Die Wegner Klima- und Wärmepumpentechnik GmbH, Offenbach, installierte das weitläufige Kältemittelrohrnetz, 9 wandhängende Klimageräte im Konferenzbereich, 20 Klimakassetten im Bürotrakt und in zwei Schulungsräumen, außerdem das neue Luftleitungssystem im Foyer. Die Installation erfolgte - teils auch mit Untergewerken - während der vorgegebenen kurzen Betriebspausen. „Dafür mussten wir über den Büros auch Zwischendecken aufmachen und Revisionsöffnungen nachrüsten. Für so umfangreiche Arbeiten in so kurzer Zeit war eine gute Vorplanung das alles Entscheidende.“
Abb. 4: Auftraggeber Matthias Stumpf, TGA Planer Stefan Albert, die Kälteanlagenbauer Patrick und Stefan Wegner sowie Swegon Verkaufsleiter Stefan Cruse verantworten das himmlische Klima beim ADAC.
Was Geschäftsführer Patrick Wegners Mitarbeiter ebenfalls herausforderte, war die Führung der Elektro- und Kondensatleitungen. „Der Gebrauchsmusterschutz führte dazu, dass wir Kabel oder Schläuche in Rahmenprofilen verlegten und passend lackierte Leerrohre einbauten. Heute ist alles, was möglich war, unsichtbar verlegt.“ Das trifft auch auf für die Aufstellung der Außeneinheiten zu. Sie stehen in einem Innenhof und stören in keiner Weise das äußere Bild der Gebäudearchitektur. Die schmalen Gerätegehäuse mit kleiner Aufstellfläche kamen dieser Lösung sehr entgegen.
Im April 2019 begannen die Arbeiten, vier Monate später erfolgte die Übergabe. Für Mathias Stumpf als Auftraggeber nahm die Klimanachrüstung einen erfreulichen Verlauf. „Das war nur möglich, weil in den Planungs- und Ausführungsphasen, inklusive der termintreuen Bereitstellung aller Klimageräte, die Arbeiten Hand in Hand liefen und vom Planungsbüro stets mit mir abgestimmt wurden. Außerdem waren zwei Kälteanlagenbauer dauerhaft abgestellt, die das System heute in- und auswendig kennen.“ Einem nächsten Jahrhundertsommer (Und der kommt!) sieht der Leiter des Fahrsicherheitszentrums Rhein-Main gelassen entgegen.
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