Schockschwere Not - es droht (k)ein Verbot!

Schockschwere Not - es droht (k)ein Verbot!
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Europäische Regeln sind in Deutschland etwa so beliebt wie Tempolimits. Wenn sich zwei noch so heftig streiten – den Hass auf EU Gurkenkrümmungsnormen teilen sie aus vollem Herzen. Dass das normierte Grüngemüse eigentlich auf den Mist der Mitgliedstaaten gewachsen ist: unwichtiges Detail. Schon sind wir mitten drin: Je komplizierter das Thema, je unübersichtlicher die Informationslage, desto fruchtbarer der Nährboden für Falschnachrichten und Verschwörungstheorien. Zwei EU Regeln droht ein ähnliches Schicksal wie den Eurogurken: Die F-Gase-Verordnung und die EcoDesign-Richtlinie sind komplex, voller Ausnahmen, Zeitlinien und Übergangsfristen. Hier finden sie, was sie als Planer und Handwerker wissen müssen.

Wird R410A verboten? Nein.
Insbesondere für Kaltwassererzeuger und Wärmepumpen gibt keinen Auslaufplan. Richtig ist, das neu installierte Kühlschränke, Verbundanlagen und Split-Anlagen mit eine Füllmenge von weniger als 3 kg ab 01.01.2021 nicht mehr mit R410A betrieben werden dürfen.

Wird R134A verboten? Nein.
Das Verbot gilt lediglich für gewerbliche Kühlschränke. Gewerblich eingesetzte Wärmepumpen sind davon nicht betroffen.

Ist R32 das Allheilkältemittel? Nein.
Aufgrund der hohen Dynamik in der Kältemitteldiskussion, der technischen Entwicklung und der politischen Handlungen gibt es keine Ideallösung. Am Ehesten trifft zu: R32 ist zu sauber, um keine Alternative zu klimawirksameren Kältemitteln zu sein und nicht sauber genug, um die einzige Antwort auf die F-Gase-Verordnung zu sein. Zudem benötigen R32 Anlagen im Heizmodus eine um 18K höhere Verdichtertemperatur. Dies führt insbesondere bei niedrigen Außentemperaturen zu engeren Einsatzgrenzen.

Ist R466A die perfekte Alternative zu R410A? Eher nicht.
Zwar verhält sich R466A thermodynamisch vergleichbar wie R410A, doch das recht hohe GWP (733) von R466A passt nicht zum zentralen Ziel der europäischen F-Gase-Verordnung: Die Reduktion des Treibhauspotentials von F-Gasen um 80 Prozent bis 2030 (Vergleichszeitraum 2009-2012).

Aber R290 ist super, stimmt‘s? Wohl kaum.
Die politischen Entscheidungsträger finden natürlich Kältemittel gut. Ammoniak, CO2 oder eben hier Propan. Allen drei gemein ist das niedrige Treibhauspotential. Doch wo Licht ist, droht auch Schatten. Einige natürliche Kältemittel wie Propan sind entflammbar, giftig oder Beides. Andere natürliche Kältemittel wie CO2 benötigen höhere Drücken.

Die grundsätzlich viel versprechenden natürlichen Kältemittel bedeuten für Anlagen derzeit noch höhere Investitionskosten und/oder engere Einsatzgrenzen.

Ist R454B der Silberstreif am Horizont? Sie ahnen es: eher weniger.
Auf der Haben-Seite verbucht das Kältemittel seinen niedrigen GWP (466), jedoch liefert es eine geringere Effizienz, insbesondere im Kühlfall. Zudem ist R454B nicht mit jedem Verdichter kombinierbar.

Jetzt aber - R1234ze! Äh, Nein.
dem R1234ze verwandte Kältemittel gelten als Heilsbringer in der Pkw-Klimatisierung, doch  Kälteanwendungen scheitern an der geringen volumetrischen Kälteleistung. Im Klartext müssen Kälteanlagen bis zu 30 Prozent größer (und damit teurer) gebaut werden, falls sie mit R1234ze statt mit R134A oder R513A betrieben werden sollen.

Nachdem nun die meisten Mythen entzaubert sind, kommen wir zur Wahrheit: Es gibt nicht die eine Lösung. Je nach Anwendung müssen Planer und Hersteller gemeinsam entscheiden, welche Anlage mit welchem Kältemittel zur vorliegenden Anwendung passt. Glücklich kann sich der schätzen, der für jedes Einsatzgebiet die passende Maschine mit dem passenden Betriebsmittel in petto hat. Entlang der folgenden Kriterien sollte die Wahl des Kältemittels fallen:

  • Brenn- bzw. Entflammbarkeit
  • GWP (Global Warming Potential = Treibhauspotential)
  • TEWI (Total Equivalent Warming Impact = direkte und indirekte Beiträge zum Treibhauseffekt)
  • Giftigkeit
  • Einsatzgrenzen (Kühl- bzw. Heizbetrieb, Drücke, Temperaturen)
  • Investitionskosten
  • Effizienz (vor allem volumetrische Kälteleistung)


Böhmische Dörfer: SERP, SEER, COP, ERP und CE

Die Europäische Union möchte nicht nur, dass wir viel weniger klimawirksame Kältemittel einsetzen. Sie zwingt uns richtigerweise auch dazu, effizientere Anlagen zu bauen. Für Letzteres ist die Ökodesign-Richtlinie für energieverbrauchende Produkte (eng. ErP = energy related products) maßgebend. Diese Richtlinie ist nicht nur für die ganzen bunten Plaketten auf allerlei Elektrogeräten verantwortlich, sie setzt auch wichtige Standards bei der Effizienz von Wärmepumpen und Kältemaschinen. Erfüllt ein Gerät die Ökodesign-Richtlinie nicht, entfällt auch die CE-Konformität (und damit auch das Inverkehrbringen in den EU Binnenmarkt!).

Diese Richtlinie hat also Schmackes. Am 01.01.2021 zündet ihre zweite Stufe (Tier 2). Ab nächstem Jahr müssen Hersteller für Kaltwasserzeuger und Wärmepumpen folgende SEERs bzw. SERPs nachweisen, um CE-konform zu bleiben:

Vorgaben der Ökodesign-Richtlinie

In der Grafik sind einige wichtige Details versteckt: Die EU unterscheidet zwischen Prozess- und Komfortanwendung. In Industrieprozessen sind die Anforderungen an die Kaltwassererzeuger und Wärmepumpen geringer, als wenn die Anlagen in Büros, auf Gewerbeflächen oder im Wohnbau  (Komfortanwendung) eingesetzt werden.

Wichtige Begrifflichkeiten und Kennzahlen

SCOP
Basis ist die EU Verordnung 813/2013. Sie gilt für Wärmepumpen mit einer Heizleistung kleiner 400 kW. Die zweite Stufe ist seit 2017 inkraft.

SEER
Die Leistungszahl gilt für Wärmepumpen und Kaltwassererzeuger. Die erste Stufe gilt seit 2018. Ab 01.01.2021 ist die zweite Stufe rechtsverbindlich.
Neu ist zudem eine saisonal gewichtete Effizienzkennzahl, die sogenannte Seasonal Space Cooling Energy Efficiency im Kühlbetrieb und analog die Seasonal Space Heating Efficiency im Heizbetrieb. Sie können mit einer Formel entweder aus der SCOP oder SEER errechnet werden.

SEER

Umrechnungsbeispiele SEER, seasonal space cooling energy efficiency ns,c

Nicht alle derzeit auf dem Markt erhältlichen Kaltwassererzeuger und Wärmepumpen erfüllen die strengen Kriterien der zweiten Stufe der Ökodesign-Richtlinie. Spätestens ab dem 01.01.2021 dürfen solche Geräte nicht mehr in Verkehr gebracht werden. Ein guter Rat: Fragen Sie Ihre Hersteller, welche Geräte zukunftsfähig bleiben!

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